
Die Beauty-Branche entwickelt sich schneller als jemals zuvor. Selten waren Kosmetika und Personal-Care-Produkte so gefragt und selten war die Auswahl für KonsumentInnen segmentübergreifend so groß. Der Umsatz im Beauty- und Personal-Care-Markt in DACH liegt dieses Jahr bei etwa 21 Milliarden US-Dollar, das globale Markvolumen beträgt stolze 532 Milliarden US-Dollar. Die beliebteste Kategorie ist Personal Care, die mit 50 Prozent die Hälfte des Markts in DACH ausmacht. Gefolgt von Skin Care, dieses Segment macht 26 Prozent des DACH Beauty-Markts aus, gefolgt von Makeup (15 Prozent) und Parfums (12 Prozent).
2019 galt sicherlich und nicht grundlos als das des „Beauty-Boom“. Der Aufstieg und Höhepunkt von Clean-Beauty, Naturkosmetik und der ganzheitlichen Wellness-/Self-Care-Bewegung haben den Markt maßgeblich bestimmt. Indie Beauty Marken haben diese Themen schon frühzeitig erkannt, den Konsumenten erfolgreich angesprochen und konnten dadurch Marktanteile gewinnen. 2019 war zudem das Jahr von zahlreichen M&As, von denen Experten meinen, dass es sie so nie wieder geben wird. Multi-Marken-Konzerne haben Indie Beauty-Brands aufgekauft, die es geschafft haben, erfolgreich eine Konsumentennische zu bedienen: Kylie Cosmetics durch Coty, Tatcha durch Unilever oder auch Drunk Elephant durch Shiseido.
Retailer haben Nischen-Stores erworben, so etwa im Fall von Douglas und Niche-Beauty. Investoren, vor allem in den USA, haben Beauty als profitable Kategorie entdeckt und investiert: Manzanita Capital gab im Oktober bekannt, eine Mehrheitsanteilbeteiligung an Susanne Kaufmann erworben zu haben. In Deutschland halten sich die Investoren aktuell noch bedeckt, wenn es um die Investition in Beauty geht. Allen voran sind Indie-Brands die großen Gewinner im heutigen Beauty-Business. KonsumentInnen wenden sich zunehmend von großen Marken ab und kleinen unabhängigen Marken zu, denn diese gehen konkret und schneller auf die Bedürfnisse der KundInnen ein. Dieser Trend wird sich auch in 2020 nicht umkehren.
Welche Trends und Innovationen werden in 2020 für alle Akteure der Indie Beauty-Branche relevant sein?
Umweltfreundliche Wertschöpfungsketten
Durch den Umschwung zu mehr Nachhaltigkeit geraten auch die Verpackungen von Beautyprodukten zunehmend unter Beschuss. Plastik und andere Kunststoffe werden durch umweltschonendere Alternativen ersetzt – oder gänzlich weggelassen. Gerade die Gen Z und Y achten auf ihre Müllproduktion und wollen unnötigen Abfall vermeiden. Im Gegenzug investieren Beautyunternehmen in nachhaltigere Systeme, wie etwa Refill-Konzepte, recycelte und recycelbare Verpackungen oder welche, die biologisch abbaubar sind. Das Prinzip des „Zero Waste“ nimmt künftig auch einen Platz in der Beautyindustrie ein, mit verpackungsfreien Optionen und das über alle Produktkategorien hinweg. Darüber hinaus ist es für Brands essentiell, ihre gesamte Wertschöpfungskette in Zukunft ökologischer und sozial-ökonomischer zu gestalten. Nachhaltigkeit wird zu einem Hauptziel. Brands fangen an Produkte zu designen, die einer Kreislaufwirtschaft entsprechen.
Ein Grund, warum viele Brands wieder lokal produzieren und auch ihre eigenen Rohstoffe herstellen. Nischenprodukte und lokale, handgefertigte Kosmetika werden beliebter, da bewusste KonsumentInnen zurück zu einheimischen Brands gehen. Klimaneutralität ist ebenfalls ein Stichwort, dem sich in Zukunft mehr Beautybrands widmen werden. Einen geringeren negativen Einfluss auf die Umwelt zu haben wird auch in Hinblick auf die Beauty-Branche zu einem ausschlaggebenden Faktor, zumal VerbraucherInnen in anderen Bereichen des Lebens wie Reisen oder Ernährung vermehrt darauf achten.
Clean Beauty
Grundsätzlich gibt es einen Wandel zu mehr Transparenz in der Beautybranche, ob in der Produktionskette oder speziell in Bezug auf Inhaltsstoffe. Cleane Labels verzichten bei ihrer Produktherstellung auf bedenkliche und kritische Inhaltsstoffe, sie gelten aber nicht zwangsläufig als Naturkosmetik. Doch das bisherige Problem lag darin, dass jeder seine No-Go-Liste der Inhaltsstoffe selbst bestimmt. Es gibt keinen allgemeinen Konsens, keine festgelegten Regulierungen. Brands, Retailer und EndkonsumentInnen haben ihre eigenen Definitionen von Clean Beauty. Nichtdestotrotz wird sich diese Sparte auch 2020 weiterentwickeln und das Thema Transparenz der Inhaltsstoffe weiter vorangetrieben. Wir vermuten, dass es in Zukunft für diesen Bereich eine ausführlichere Richtlinie geben wird, anhand derer sich sowohl die KonsumentInnen als auch die Brands und Händler orientieren können. Bereits im Juli diesen Jahres verbot die EU verschiedene „frei von“-Claims, darunter etwa „frei von Parabenen“, denn – so die Gesetzgebung – dies sei eine Verunglimpfung der gesamten Gruppe der Parabene. Auch werden sich verschiedene Tracking Apps und deren Weiterentwicklungen als hilfreiches Tool erweisen, um sich einen Überblick über die beinhalteten Substanzen zu verschaffen.
Denn im Bereich cleane Inhaltsstoffe sind große Innovationen zu erwarten, da KonsumentInnen immer bewusster konsumieren und informierte Kaufentscheidungen treffen. Alternative Inhaltsstoffe spielen hier eine entscheidende Rolle. Biotechnologie, die Nutzung pflanzlicher Stammzellen und die Imitation körpereigener Substanzen werden interessanter, um die Potenz und Wirksamkeit der Inhaltsstoffe zu steigern. Zudem präsentieren diese Methoden oftmals eine schonendere Alternative für die Umwelt. In 2020 und darüber hinaus wird die Nachbildung von biologischen Formen, Prozessen, Mustern und Systemen zu einem wesentlichen Bestandteil für zukünftige Produktentwicklungen.
2019 lag der Clean Beauty-Fokus noch sehr stark auf Skincare und Make-up, in 2020 wird sich das Augenmerk auf weitere Kategorien ausweiten. Allen voran Shampoos, Conditioner und Co. werden zukünftig vermehrt auf die Bedürfnisse nach naturbasierten Inhaltsstoffen eingehen müssen. Neue Indie-Labels werden den Markt für cleane Haarpflege bedienen und neue Formulierungen entwickeln, die es KosumentInnen leichter machen, auf naturbasierte Alternativen umzusteigen und sich von ihren herkömmlichen Produkten zu verabschieden.
Naturkosmetik goes High-End-Luxury
Auch 2020 wird Naturkosmetik ein bedeutendes und wachsendes Segment des Beautymarktes bleiben. Der DACH Naturkosmetikmarkt gehört zu den größten Europas, 1,46 Milliarden Euro gaben VerbraucherInnen dafür aus. Marken wie Dr. Hauschka, Weleda oder Annemarie Börlind leisten hier Pionierarbeit. Doch werden naturbasierte Brands die Herausforderung annehmen müssen, sich im Markt abzuheben, um wirklich innovativ und neu zu sein. Sich nur auf die Natürlichkeit als USP zu beschränken, wird als Differenzierung nicht mehr ausreichen. Brands müssen darüber hinaus durch Texturen, Rezepturen, Farben und Design die anspruchsvolleren Beauty-KundInnen ansprechen, um auf dem Markt konkurrenzfähig zu sein. Eine neue Art von Luxus findet Einzug in diese Nische, um auch „High-End-Shopper“ zu erreichen und Premium-Retailer für sich zu gewinnen.
Wissenschaftlich fundierte Kosmetik
Die Hautpflege bleibt auch 2020 eine Fokuskategorie. Neue Ausprägungen in diesem Segment geben Wachstumsimpulse. Skincare bleibt eine der größten Konsumkategorien. Wir werden jedoch vermehrt wissenschaftlich begründete Formulierungen und ‚Derma’-Hautpflegebrands in 2020 aufkommen sehen. Aufgeklärte Konsumenten wollen Produkte mit hoch-performativen aktiven Inhaltsstoffen. Sogenannte „Doktor Brands“ waren bereits 2019 in aller Munde und der Trend wird sich weiterhin ausweiten. Fortschrittliche „Science-Beauty“, die auf wissenschaftlichen Beweisen fundiert ist und eine hohe Performanz nachweisen kann, werden beliebter.
Produktentwicklungen für neue Konsumentengruppen
In den letzten Jahren haben sich Kosmetik-Labels stark auf die Zielgruppen Gen Y und Z fokussiert. Doch der Markt wird diverser und fragmentierter, Brands müssen ihre Zielgruppen strategisch ausbauen, um sich von der Konkurrenz abzuheben und neue Märkte zu bedienen. So integrieren einige Marken Produktlinien speziell für Babys und Kleinkinder, oder richten sich komplett an die Pflege für die Kleinsten. Darin besteht Potenzial, denn Eltern wollen auch bei den Produkten für ihren Nachwuchs ein gutes und sicheres Gefühl haben. Eine Demografie, die immer noch zu kurz kommt, sind die Frauen 40+, und auch beim Thema Diversität und Inklusivität ist im DACH-Raum noch deutlich Luft nach oben. Beauty-Brands, die speziell POC Frauen und Männer ansprechen und featuren, wie etwa das US-amerikanische Label Beauty Bakerie, gibt es bei uns nicht. Dabei hat laut der BPB jeder 4. Deutsche einen Migrationshintergrund. Beautylabels müssen in Zukunft inklusiver sein und eine vielfältigere Konsumentengruppe ansprechen.
Verschmelzung von Technologie und Beauty
Technologie begleitet uns bereits in allen Bereichen des Lebens und erhält auch zunehmend Einzug in die Beauty-Branche. Beautykonzerne investieren in Tech-Unternehmen und Tech-Giganten zunehmend in Kosmetik, wie etwa schon Google, Amazon, Facebook und Apple. Die Beauty-Sphäre wird digitaler, datengetriebener und dadurch auch personalisierter. Personalisierung oder der „customizable“-Trend ist auf dem Vormarsch und wird ab 2020 noch intelligenter. Skincare Brands nutzen künstliche Intelligenz und einen Algorithmus, der eine perfekt auf die KonsumentInnen zugeschnittene Hautpflege empfiehlt und sich kontinuierlich verbessert. Direkte Hautmessungen am Kunden werden zur Basis einer auf die Daten entsprechend hergestellten Creme. Prozesse und Systeme werden mithilfe von Technologie ergänzt, und die Consumer Experience durch Apps, Virtual Reality und personalisierte Shopping-Modelle erweitert.
Die ganzheitliche Schönheitsroutine 2.0
Die Grenzen zwischen Wellness, Self-Care, Gesundheit und Kosmetik werden immer mehr verschmelzen. Supplements, Nahrungsergänzungsmittel, Ingestibles oder „Beauty Food“ bleiben auch in 2020 trendweisend, aber mit wesentlichen Entwicklungen. Hautpflegebrands die einen holistischen Beauty-Ansatz verfolgen werden Kategorie übergreifend ihr Sortiment durch die Einführung von Supplements erweitern. Bereits bestehende NEM-Labels werden ihr Angebot ausbauen, um noch gezielter auf verschiedene Anwendungsbereiche einzugehen und die Gesundheit der Haut von Innen heraus zu stärken. WGSN Beauty prognostiziert Adaptogene als Trendinhaltsstoff für 2020 in dieser Kategorie. Darüber hinaus wird auch hier eine weitere Nische entstehen: Psychodermatologie ist der nächste große Trend. Diese Brands verfolgen einen 360-Grad-Ansatz mit einer ‚Kopf-Körper-Haut’-Philosophie. Pflegeprodukte, die also nicht nur den physischen, sondern auch den psychischen Zustand adressieren, werden wir in Zukunft öfter sehen.
(Quelle: Beauty Ind.)